Transit II

In der malerischen Arbeit Stephan Kaluzas geht es grundsätzlich um Abbildungen der Natur, sei es in Schwarz-Weiß Verwischungen, in hyperrealistischen Darstellungen (Öl auf Leinwand) oder in nahezu abstrakten Darstellungen von Wäldern, Wasseroberflächen oder Unterholz.

Ein vermeintliches Idyll wird gemalt, denn nicht alles in diesen Bildern ist reine Natur – Störungen schleichen sich ein, der Schein trügt. So erhalten diese Bilder eine zweite Ebene – die ostentative Schönheit der Natur im Nunc Stans, im zeitlosen Jetzt, wird eine hinterfragbare. Diesen Gedanken überträgt Kaluza auch auf sehr persönliche Reminiszenzen; u.a. malte er eine Brandung an der brasilianischen Küste, in der er einige Jahre zuvor beinahe ertrunken wäre. Die zweite, hintergründige Ebene dieser Bilder ist also, wenn man so will, eigentlich die erste; es geht hier weniger um das Abmalen des Sichtbaren, als um das Erkunden dessen, was sich hinter der Kraft der Natur verbirgt und somit besonders um die zentrale Frage: Was ist Schöpfung?

Wie bereits in einer älteren Serie, The Disappeared, werden auch diese Bilder seriell aufgefasst. Der Malerei wurde die Farbe genommen, die Gemälde schienen zunehmend zu verblassen. Am Ende eines solchen Prozesses steht eine nahezu weiße Fläche, das Nichts. Dieser Ansatz versteht sich kritisch als Hinweis auf menschliche Eingriffe in die Natur. Denn sie ist weder eine Konstante, noch ist sie ewig; die Malerei Kaluzas zeigt sie eher als fragil, als zerstörbar und hilflos. So, wie sich die Natur zunehmend aus dem Sichtfeld des Menschen zu entziehen scheint, so scheint die Naturschönheit in ihrer Gänze zu verschwinden. Aus diesem Grund malte Kaluza ebenso Naturdarstellungen aus Spielfilmen ab – eine Natur, die, wenn man so will, bereits eine artifizielle geworden ist. Wenn Friedrich Nietzsche die Kunst noch als Ziel und Erlösung vom irdischen Leid verstand, so ist diese Wandlung nahezu vollzogen; die Natur ist weitgehend von der Menschenwelt bereits absorbiert worden.

Die Motive der Serien gliedern sich in Elementen; dem Wasser fällt eine besondere Rolle zu, ebenso dem Himmel (der Atmosphäre) und den Wäldern. Die extrem genaue Nachahmung auf zum Teil sehr großen Leinwänden versteht sich hier nicht als Kopieren, sondern als ein Nach-Empfinden der Schöpfung, die auf diese Weise tiefer verstanden werden will; Malerei als Scouting, als Erkundung einer Welt, die uns (noch) umgibt.

Die Interpretation der Natur als abstrakte Farbflächen der Transit I – Serie weicht nun einer hyperrealistischen Wiedergabe. Die Nachahmung der Natur zeigt eine weitere Variante dieser Malerei an – Nachahmung versteht sich hier nicht als Kopieren, sondern als ein Nach-Empfinden der Schöpfung, die auf diese Weise tiefer verstanden werden will; Malerei als Scouting, als Erkundung einer Welt, die uns (noch) umgibt; eine Welt, die man bereits als eine „Durchgangstation“, als einen bewegt-bewegenden Transit der Flüchtigkeit begreifen kann.

Die Nachahmung lässt Schöpfung in gewisser Weise Revue passieren, lässt ebenso liebende, ablehnende, rationale wie irrationale Eingriffe zu, im gleichen Maße, wie auch Welt von rationalen und irrationalen Eingriffen geprägt ist; die Nachempfindung, auch im Sinne der Interpretation und Deformation, durchlebt einen vorgefundenen Schöpfungsprozess auf ein Neues. Die Sehnsucht nach Gleichklang gibt unweigerlich und sicher auch unerklärbar die Richtung vor, der man als Kunsterzeuger zu folgen hat, und damit auch die Art und Erscheinungsform des Übertrags, das, was man als Endergebnis dieses Prozesses Kunst nennen kann.

Das sinnliche Einverleiben durch Nachahmung ist die Triebfeder schlechthin für einen Erzeuger von Bildern; indem die Faszination zum wahrgenommenen Gesehenen in die Gussform der Nachahmung gefüllt wird, befriedigt sie die Unruhe des noch-nicht-Besitzens; erst in der individuellen Materialisierung des Gesehenen als physisch erfahrbares (Kunst-) Objekt entspannt sich Interesse und Neugierde. Es gleicht in der Tat einem Hungergefühl des sinnlich-Visuellen, das seine Befriedigung im Festhalten der Dinge per Methodik sucht. Der tiefere Grund dieser Einverleibung von Motiven liegt sicher in der Sehnsucht nach Einklang und Einswerdung mit dem Wahrgenommenen, und zwar auf eine überraschende, unplanmäßige Art.